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Scheintexte: Der Bluff der Apparate

Text ist jetzt ein Convenience-Produkt. Und Schreiben ein Vorgang, der sich endlich auf Effizienz trimmen lässt. So wollen es uns die KI-Apostel und Technikgläubigen weismachen. Bitte nicht darauf reinfallen. Schreiben bleibt eine Denk- und Kulturleistung, auch im Kommunikationsberuf.

Die Künstliche Intelligenz zwingt Schreibenden das Regime der Berechenbarkeit auf. Wir unterwerfen unsere Texte der Logik der Wahrscheinlichkeit und lassen Wortfolgen mathematisch modellieren.

Sind wir eigentlich von allen guten Geistern verlassen?

Als Textmenschen wissen wir es doch besser: Schreiben besteht aus so viel mehr als der sinnfälligen Aneinanderreihung von Ausdrücken. Schreiben ist kein Ingenieursjob, es ist flirrende Geistesarbeit. Schreiben wohnt das Abschweifen und Zurückkehren, das Ausprobieren und wieder Verwerfen inne. Das gilt nicht nur für die Sphären der Literatur oder des Feuilletons, sondern auch auf den Langstrecken der unternehmerischen und politischen Kommunikation.

Eingebung und Instinkt

Wer Reden, Aufsätze, Meinungsstücke und ähnliche Formate für sich selbst oder Dritte schreibt, kennt das Geheimnis: Ein Text wächst, indem du mit ihm in den Clinch gehst. Er wurzelt in dem, was du erst beim Schreiben verstehst und durchdringst. Er bekommt Gewicht durch Ideen und Gedanken, die dich urplötzlich anspringen, wenn du über dem Stoff brütest. Das ist nicht planbar. Eingebung ist mit am Werk.

Gleiches gilt für die äußere Gestalt eines Textes. Wie du einen Satz formulierst, in welche Wörter und Wendungen du eine Aussage kleidest, ist nicht allein eine Frage des Handwerks. Dein Gespür, dein ästhetisches Empfinden bestimmen wesentlich die Form. Jedem Satz, den du in die Tastatur tippst, ist Intuition eingewoben. Wirkungsvolles Schreiben hat mit dem Erfühlen der Bedürfnisse und Stimmungen zu tun, auf die dein Text trifft, wenn er mit dem Publikum Kontakt aufnimmt.

Sprache als Attrappe

Keine dieser Zutaten lässt sich in Informatik-Prozeduren pressen. Es sind Phänomene, die sich den Kategorien der Sprachmodelle entziehen. Nicht einmal wir selbst können sie absichtsvoll in einen Prompt gießen. Wie auch? Vieles von dem, was am Ende einen Text mit Charakter ausmacht, ereignet sich unwillkürlich. Es wird überhaupt erst im „eigenhändigen“ Schreiben verfügbar.

Was vom Fließband der KI fällt, kann also allenfalls ein Vorprodukt sein. Lass dich von der gefälligen Hülle nicht blenden. Was ChatGPT, Claude und Konsorten dir in kühler Berechnung unterjubeln wollen, mag perfekt erscheinen. Aber es ist nur ein Imitat, ein Abklatsch. Es ist schlicht die Quersumme dessen, was die Text-Crawler auf ihren Raubzügen im Netz erbeutet haben.

Soll aus dem Datenkonvolut ein echter, sprechender Text entstehen, musst du ihm buchstäblich selbstbewusst zu Leibe rücken. Nämlich mit allem, was dich den Maschinen überlegen macht: deiner menschlichen Einmaligkeit, deinem Erfahrungsschatz, deinem Witz und deiner Weisheit, deiner Moral, Empathie und Lebendigkeit.

Pseudo-Kommunikation

Tust du das nicht, degradierst du dich selbst. Begnügst du dich damit, nur noch KI-Dienste anzuweisen, gibst du die Denk- und Kulturtechnik des Schreibens preis. Dann wird Text zur Simulation und damit zum Verrat an unserer Disziplin, der Kommunikation.

Halte dagegen. Kultiviere deinen eigenen Schreibstil. Sei widerspenstig. Benutze Wörter, die kaum jemand benutzt. Baue Sätze ganz ohne algorithmische Bausätze. Wirf originelle Gedanken aufs Blatt und in die Welt.

Bleib bei dir, sei dein Text. Jetzt erst recht.


Foto: Nicola Karnick


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