Wie verändert generative KI die Auftragslage für freie Textschaffende? Eine Studie des DIW Berlin zeigt große Umbrüche auf. Sie bietet reichlich Spielraum für Interpretationen.
Das DIW Berlin (DIW) hat die Auswirkungen generativer Künstlicher Intelligenz (KI) auf den Freelancer-Markt untersucht. Die Ende August veröffentlichte Studie diagnostiziert einen erheblichen Nachfrageschwund bei leicht automatisierbaren Tätigkeiten. Mit Abstand am stärksten betroffen sind Textaufträge. Laut DIW ist das Auftragsvolumen unter dem Einfluss von ChatGPT um rund 30 Prozent geschrumpft.
Ein Drittel der Schreibaufträge fällt der KI zum Opfer? Eine Größenordnung, die auf den ersten Blick aufstört.
Wichtig zu wissen: Betrachtet haben die Forschenden das Vergabevolumen auf einer führenden Online-Plattform. Inwiefern der dortige drastische Auftragseinbruch sich auf den Gesamtmarkt für Text- und Schreibprojekte übertragen lässt, bleibt offen. Viele Aufträge dürften auf anderen Wegen zustande kommen. Oder liege ich da falsch?
Welche Ghostwriting-Jobs gehen an die KI?
Bei der Lektüre der DIW-Studie stellen sich mir weitere Fragen. So etwa die nach der genauen Qualität beziehungsweise Bandbreite der untersuchten Schreibaufträge. Neben Korrekturlesen und Lektoratarbeit führt das Autorenteam Ghostwriting als Beispiele für die von KI-Tools bedrohten Schreibtätigkeiten an.
Welche Art von Ghostwriting-Aufträgen mag gemeint sein? Das Contentwriting für die Personal-Branding-Maschinerie auf LinkedIn? Ghostwriting in schmuddeligen akademischen Grauzonen? Das Schreiben von Gastbeiträgen, Essays oder Editorials im Namen von Führungspersönlichkeiten? Die Spannbreite des Begriffs „Ghostwriting“ im Markt ist groß. Das Fragezeichen auf meiner Stirn auch.
Komplexität der Aufträge steigt
Es wird nicht kleiner, als ich in den Tiefen der DIW-Studie auf den sogenannten AIOE-Index stoße, der für Schreibarbeit auf 1,17 beziffert wird. Ein Wert, der darauf hindeutet, dass große Sprachmodelle diese Fähigkeit überdurchschnittlich stark beherrschen; entsprechende Berufe sind daher von den Fortschritten der KI besonders betroffen. So weit, so klar. Doch was sagt mir das über die Anfälligkeit meines freiberuflichen Geschäftsmodells? Sind damit automatisch auch meine Schreibwaren nicht mehr wettbewerbsfähig? Oder ergeben sich im Gegenteil neue Bedürfnisse, Möglichkeiten und Nischen?
Die DIW-Studie liefert auch hier Stoff zum Spekulieren: Denn dem quantitativen Verlust an Freelancer-Jobs stehen offenbar ein Zuwachs an Komplexität und auch mehr Budget bei den verbleibenden Aufträgen gegenüber. Woran sich dieser Befund speziell bei den Schreibaufträgen festmacht, geht aus der Studie allerdings nicht genau hervor.
Sind diese Text-Jobs inhaltlich anspruchsvoller? Verlangen sie besondere Kompetenzen? Und stützt das die Weissagungen, wonach die KI in Zukunft Routineformate übernimmt, während der Mensch sich tiefschürfenden Denk- und Schreibaufgaben widmet?
Oder anders gefragt: Bleibt, wer schreibt?
Wer sich selbst einen Reim machen möchte: Die Studie wurde im Wochenbericht 35/2024 des DIW Berlin publiziert. Die Pressemitteilung „Generative Künstliche Intelligenz reduziert Nachfrage nach Freelance-Arbeit“ verlinkt zum gesamten Materialpaket inklusive einem Interview mit Studienautor Jonas Hannane.
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