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Textschicksale

Wer für Unternehmen schreibt, macht früher oder später eine traurige Erfahrung: Blühende Texte werden in Abstimmungsprozeduren zum Schatten ihrer selbst – oder sogar ganz dahingerafft. Eine Glosse.

Texte für die Unternehmenskommunikation sind von Natur aus leicht verderbliche Produkte. Oft wollen (zu) viele Instanzen hineinre(di)gieren. PR-Menschen fürchten ausufernde Freigabeprozesse, denn sie kennen die Gefahren: So mancher Text verschrumpelt vor lauter Mutlosigkeit zu einem Nichts, wird aus Akribie bis zur Unkenntlichkeit aufgebläht oder kommt im Zirkus der Eitelkeiten unter die Räder.

Besonders häufig gehen Texte an Mikromanagement zugrunde. Dann sind innere Kräfte am Werk, die möglichst jeden Halbsatz mitbestimmen und in alle Himmelsrichtungen absichern wollen. Doch kleinteilige Prozesshuberei bringt selten Großartiges hervor. Im Gegenteil. Durch ein Zuviel an ängstlicher Kontrolle wird dein Unternehmenstext seiner ganzen Kraft beraubt.

Klingt paradox, ist aber so: Auch Fachkenntnis kann zum Feind eines Textes werden. In bester Absicht gießen die Kolleginnen und Kollegen imposante Fakten in dein Stück. Leider richten sie damit meist mehr Schaden als Nutzen an. Texte sind wie Ökosysteme. Sie kippen um, wenn Fach- und Detailwissen im Übermaß hineingepumpt wird.

Gar nicht so selten werden Texte kaltgestellt, nur weil sie ungewohnt klingen. Starre Organisationen misstrauen oft sprachlicher Kreativität. Schon ein unübliches Wort kann heftige Widerstände auslösen. Und so musst du zusehen, wie deinem Text seelenloses Vokabular der Sorte „generieren“, „etablieren“ oder „forcieren“ verabreicht wird und alles Leben aus ihm weicht. Koma durch eine Überdosis Technokraten-Jargon. Herzliches Beileid.

Und dann gibt es noch die Stücke, die im Macht- und Kompetenzgerangel untergehen. Da werden in deinem Manuskript Revierkämpfe ausgefochten, die mit dem eigentlichen Inhalt nur bedingt zu tun haben. Opfer ist fast immer die Qualität. Denn Texte, an denen mehrere Parteien (womöglich noch unter Zeitdruck) zerren, enden meist als fauler Kompromiss. Sie wirken wie Flickwerk, ihre innere Logik hinkt, alle Eleganz ist dahin.

Seufz.

Gibt es denn gar keine Medizin gegen die Leiden der Abstimmeritis? – Doch! Ab und zu Texte schreiben, in denen du allein das letzte Wort hast. Herrlich.

Dieser Text fußt auf einem missglückten Experiment: Eigentlich wollte ich die Fähigkeiten von ChatGPT testen, indem ich die KI bat, eine Auswahl früherer Tweets von mir zu einer Glosse zu recyceln. Das Ergebnis hat mich nicht überzeugt, und so habe ich das Stück kurzerhand selbst geschrieben. 

Foto via Unsplash

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