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Pressearbeit damals: Das „Literarische Büro“

Medien beobachten, Journalisten und die eigene Belegschaft mit Neuigkeiten versorgen. Schon früh organisierten Unternehmen so ihre Kommunikation. Aber was hatte das mit Literatur zu tun?

Wer tief in die Historie größerer Unternehmen eintaucht, stößt auf etwas Sonderbares: das sogenannte Literarische Büro. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bauten Firmen wie zum Beispiel Siemens, AEG und die damalige Reederei Hapag unter dieser Bezeichnung Abteilungen auf, um ihre Öffentlichkeitsarbeit zu ordnen. Die Stäbe hielten den Kontakt zu Zeitungsredaktionen, gaben Werksmitteilungen und Festschriften heraus, informierten über neue Produkte und Dienstleistungen, koordinierten Ausstellungen und Vorträge.

»Das Bureau übermittelt einen erheblichen Teil der für die Öffentlichkeit bestimmten und geeigneten Nachrichten aus unserem Betriebe der Presse.«

Die Hapag 1902 in ihrer Hauszeitschrift über das „Literarische Bureau“

Die Literarischen Büros waren damit Vorläufer dessen, was wir heute Pressestelle, Newsroom oder die Unternehmenskommunikation nennen. Der Begriff und die dahinterstehende Idee sind jedoch keine Erfindung von Wirtschaft und Industrie, sondern dem Politischen entlehnt. Bereits um 1816 hatte die Regierung Preußens ein erstes Literarisches Büro eingerichtet. Es diente der Pressebeobachtung und auch dem Versuch, die Berichterstattung zu eigenen Gunsten zu beeinflussen.

Prominente PR-Dichter

Die Aufgaben der kommunikativen Gründerzeit waren denen der Gegenwart nicht unähnlich. Der Abteilungsname Literarisches Büro klingt für heutige Ohren allerdings kurios. Denn wir denken dabei zuallererst an Dichtkunst und Belletristik und weniger an das, was das Wort Literatur (vom lateinischen littera für Buchstabe bzw. Handschrift) auch meint, nämlich schlicht das gesamte Schriftgut eines beliebigen Wissensgebietes. Die „schöne Literatur“ und Public Relations, das will nicht so recht zueinanderpassen.

Dabei zeigt der Blick in die Geschichte durchaus Verwandtschaften. Der Dramatiker und Dichter Frank Wedekind etwa arbeitete vor seinem künstlerischen Durchbruch als Reklametexter für die Firma Maggi, der Journalist und berühmte Schriftsteller Theodor Fontane auch als Presse- und PR-Mann für den preußischen Staat. Sie waren in illustrer Gesellschaft: Schon Johann Wolfgang von Goethe soll bestellte Lobgedichte verfasst haben, und zwar auf den böhmischen Kurort Karlsbad und Österreichs Kaiserin, die dort gern zu Gast war – touristisches Influencer-Marketing anno 1810.

Drehkreuz für Corporate-Literatur

Um den Bogen von der Vergangenheit in die Moderne unserer Branche zu schlagen: Sind beim Storytelling literarische Qualitäten gefragt? Hat Content-Kreation einen Unterhaltungsanspruch? Geht das Entwerfen eines Redemanuskripts oder eines LinkedIn-Posts schon als schöpferischer Akt durch? Kurz: Wie viel Kunst steckt eigentlich in der Kommunikation? Darüber ließe sich wohl trefflich streiten.

Eines aber ist nicht von der Hand zu weisen: Schreiben und Publizieren sind auch im digitalen 21. Jahrhundert Kernaufgaben der Unternehmenskommunikation. Hier ist der Ort, wo Texte für verschiedene Kanäle erstellt und verbreitet werden, wo die Fäden zusammenlaufen in Sachen Corporate-Literatur.

Das Literarische Büro mag aus der Zeit und unserem Gedächtnis gefallen sein. Doch wir könnten es wiederentdecken – als eine originelle Metapher für das, was Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bis heute ausmacht.

Literarische Angelegenheiten in der Reederei Hapag Anfang der 1930er Jahre (Foto: Hapag-Lloyd AG, Hamburg)

Quellen:

Deutsches Online-Museum für Public Relations, kurz: PR-Museum 

Hapag-Lloyd AG: „Albert Ballin und die Hapag: Geboren in Hamburg, in der Welt zuhause“, 2019 (PDF); Zeitschrift der Hamburg-Amerika Linie Nr. 27 (20.09.1902)

Siemens AG: „120 Jahre Pressestelle: Ein historischer Rückblick“, 2022



Illustration: Otto Scholderer, „Luise Scholderer, Zeitung lesend“ (1897), Städel Museum


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