Manager haben derzeit keinen leichten Job. Die digitalen Umwälzungen raffen ganze Geschäftsmodelle und noch dazu das traditionelle Führungsverständnis dahin. Der Rollenwechsel zum agilen Leader schürt zugleich Erwartungen an eine neue Art der Kommunikation. Doch das Reden über den Technologie- und Kulturwandel droht sich im Sprachnebel der Allgemeinplätze zu verlieren.
Sie stehen ohne Krawatte oder gar im Hoodie auf der Bühne, lassen sich bereitwillig von Ihren Mitarbeitern duzen und geben sich überhaupt sehr progressiv. Aber wenn es darum geht, die Digitalisierung und ihre Knackpunkte in Worte zu kleiden, wirken die Führungsfiguren der Wirtschaft weder fortschrittlich noch sonderlich einfallsreich. Wer sich anhört, wie Vorstände und Geschäftsführer über das Neue sprechen, das da in die Welt und auf ihre Unternehmen zukommt, stößt auf die immergleichen Wendungen. Da wird gebetsmühlenartig der „Wandel als Chance“ beschworen, die „ergriffen“ und „mutig gestaltet“ werden muss. Digitale Innovationen werden „vorangetrieben“ in dafür eigens ausgegründeten „Labs“ und „Hubs“. Nicht zu vergessen das einhellige Credo, sich eine „agile“ oder gerne auch „Start-up-Kultur“ verpassen zu wollen.
Wenn die Floskelfalle zuschnappt
Inhaltlich ist all das nicht falsch; schließlich beschreibt es zutreffend die Gemengelage. Aber was ist zu gewinnen mit diesem rhetorischen Einheitsbrei, der nun schon seit einigen Jahren von Podien, aus Interviews und Editorials quillt? Vermutlich nicht viel. Denn mit den Plattitüden der digitalen Transformation dürfte es sich ähnlich verhalten wie mit erstarrten Metaphern: Sie versanden, weil sie – in diesem Wortlaut schon viel zu oft gehört – keine besondere Aktivität mehr auslösen in den Gehirnen der Empfänger.
Zum einen Ohr rein, zum anderen raus. Für sprachliche Leerstellen dieser Art hat Lars Vollmer, Entrepreneur und Gründer des Thinktanks intrinsify.me, einst den schönen Ausdruck „Flutschbegriffe“ geprägt. Gemeint sind Wörter aus der Managementsphäre, die gewichtig tönen und zugleich so beliebig sind, dass sie auf nahezu alle Situationen und Zusammenhänge anwendbar sind. Die Krux: Wer sich immer nur in geschmeidigen Floskeln ergeht, bleibt im Ungefähren stecken. Es vermittelt sich nicht, wie die Digitalstrategie denn nun genau aussieht. Welches Können steckt im Unternehmen, um den Wandel zu bewerkstelligen? Welche Klippen sind zu umschiffen? Wo genau findet schon Veränderung statt? An den Produktionsbändern? In den Köpfen? Wie darf man sich die technische und kulturelle Metamorphose im Arbeitsalltag vorstellen? Das alles wird nicht wirklich klar.
Textbuch ohne Saft und Kraft
Warum nur, fragt man sich, reden die Chefs oft so uninspiriert und blutleer über ein Thema, bei dem doch eigentlich alle Beteiligten in Wallung geraten sollten? Allen voran die eigenen Mitarbeiter, denn sie sollen ja schließlich für die Transformation sorgen, von der immerfort die Rede ist. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, die Wirtschaftslenker hielten sich an einer Art universellen Sprachregelung der Digitalisierung fest – allerorten die gleichen nebulösen Phrasen.
Das gilt übrigens auch für die „Fehlerkultur“, auf die Manager häufig in einem Atemzug mit dem digitalen Wandel zu sprechen kommen. In erstaunlichem Gleichklang spulen die Unternehmensleiter ihr Hohelied auf das Scheitern ab. Vom Fehlermachen als etwas Positivem erzählen, ohne dass es wie aus einem x-beliebigen Agile-Leadership-Handbuch abgekupfert klingt – auch das scheint keine einfache Übung zu sein. Offenbar fehlt es an Mut oder schlichtweg an Fantasie, sich anders zu artikulieren.
Nochmal mit Gefühl
Dabei täten die Wirtschaftsführer gut daran, das formelhafte Sprechen über die Digitalisierung zu überwinden. Denn die Transformation ist kein technokratischer Akt. Es geht um nichts weniger als das Erlebbarmachen einer völlig neuen Ära, darum, eine Revolution in Sachen Haltung und Herangehensweisen anzuzetteln. Warum ist es lohnenswert, sich dem technischen und kulturellen Aufbruch beherzt anzuschließen? Und wie gehen wir mit den Disruptionen verantwortungsvoll um? Das müssen Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre mit Händen greifen können. Unternehmenschefs und Führungskräfte sind hier als mitreißende, empathische Botschafter gefragt. Wie das klappt? Zum Beispiel so:
- Reden Sie nicht über Prozesse, sondern von und zu den Menschen. Geben sie Ihren Erzählungen vom digitalen Wandel Gesichter und Namen.
- Kommen Sie vom abstrakten Gewaber ins Gegenständliche Ihrer Unternehmenswirklichkeit. Schildern Sie, woran die Experten hinter Ihren Firmenmauern derzeit tüfteln und inwiefern bei Ihnen anders gearbeitet wird als früher.
- Berichten Sie über Ideen, Fortschritte und Rückschläge der Transformation so anschaulich und lebensnah, dass der Plot sich auch Nicht-Fachleuten erschließt.
- Entwickeln Sie eine Antenne für Widerstände und Ängste und lassen Sie diese Empfindungen einfließen in Ihr Narrativ. Die hereinbrechende Epoche ist faszinierend, doch für viele interne und externe Stakeholder auch eine Überforderung.
- Ermuntern Sie dazu, sich auf die Zukunft einzulassen, aber geben Sie nicht den Digitalisierungs-Zampano. Der Diskurs über die Transformation braucht Nachdenklichkeit – auch in Person des Digital Leaders.
Originell sein, wahrhaftig bleiben
Zugegeben, so an die Sache heranzugehen, ist unbequemer als sich der Rhetorik von der Stange zu bedienen. Die intellektuelle Anstrengung besteht zum einen darin, eine eigene Sprache mit neuen, klischeebefreiten Begriffsbildern zu finden. Gleichzeitig muss das hochtrabende Epos von Digitalisierung und Wandel geerdet werden, und zwar in Form handfester Geschichten, die so nur dieses eine Unternehmen erzählen kann. Und nicht zuletzt sollte bei alledem Raum bleiben für kritische Reflexion, Zweifel und Fragen. Das Bemühen um ein Storytelling jenseits des üblichen Wortgeklingels dürfte sich jedoch bezahlt machen. Es kann dem Reden der Manager über die Transformation mehr Leben und Glaubwürdigkeit einhauchen – und damit dem gesamten Unterfangen einen wertvollen Dienst erweisen.
Foto: Goran Vučićević via Unsplash
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