Am heutigen Tag der Deutschen Einheit wird es wieder allerorten beschworen: das Wir-Gefühl. Auch in der Unternehmenskommunikation ist das Kollektiv ein beliebter Protagonist. Aber wer ist eigentlich „wir“? Interne Medien bleiben da häufig im Ungefähren.
Seit 27 Jahren sind die Deutschen in Ost und West inzwischen wiedervereint. Gut so. Wenigstens an Tagen wie heute darf’s ein bisschen Wir-Gefühl sein. „Wir“, das klingt nach Gemeinschaft und Zusammenhalt – oder zumindest nach der Illusion davon. Nicht umsonst verfallen auch Unternehmen in der internen Berichterstattung immer wieder reflexartig in die erste Person Plural. Das hört sich dann ungefähr so an: „Wir haben noch ein hartes Stück Arbeit vor uns.“ „Jetzt müssen wir alle nach vorne blicken.“ „Uns wird der Turnaround nur gelingen, wenn wir …“ Wohlgemerkt: Hier wird weder der CEO noch der Chefstratege und auch nicht die Personalleiterin zitiert. An- und Abführungszeichen Fehlanzeige.
Eine Frage der Perspektive
Aber wer sonst spricht da aus dem Off? Gute Frage. Die Führungsriege? (Im Chor?) Der Betriebsrat? (Wohl kaum.) Die Mitarbeiter zu sich selbst? (Schön wär‘s.) Oder am Ende gar das moralische Gewissen der Firma, eine Art betriebliches Über-Ich? Frei nach Richard David Precht: Wer also sind „wir“ – und wenn ja wie viele? Das bleibt ein Geheimnis. Und sorgt in der Redaktionskonferenz oft für Zündstoff. Nämlich immer dann, wenn sowohl Unternehmen als auch Medienmacher auf ihrer Sicht der Dinge beharren. „Wir dürfen nicht so distanziert klingen“, „Wir müssen unsere Leute mitnehmen und ihre Sprache sprechen“, sagt die Firma und verteidigt ihre Wir-Grammatik. „Gute Unternehmensmedien dürfen sich nicht anbiedern“, „Wer Wahrheit und Klarheit verkünden will, muss das journalistisch neutral tun“, sagen die Magazinleute, sie sind schließlich gestandene Blattmacher.
Der Charme ungebügelter Botschaften
Die Krux: Beide haben recht. Ein Mitarbeitermagazin, das funktioniert, muss handwerklich gut gemacht sein. Das heißt: auch mal bewusst auf Distanz gehen, von außen auf die Firma gucken. Und vielleicht sogar mal einen Externen die neue Strategie kommentieren oder Hintergründe erklären lassen. Aber: Ein Mitarbeitermagazin ist nicht die FAZ. Ein Mitarbeitermagazin ist abhängig und parteilich. Und es verfolgt ganz schnöde Interessen: Die Mannschaft ins Boot holen und zeigen, wo die Reise hingeht. Damit alle in die gleiche Richtung rudern. Das klappt nur, wenn immer wieder auch die gemeinsame Sache beschworen wird.
Aber warum das „Wir“ immer nur Anonymus oder dem Vorstand in den Mund legen? Kleiner Tipp: Häufiger mal die eigenen Mitarbeiter zu Wort kommen lassen. Man wundert sich. So manche Wir-Botschaft kommt vielleicht nicht wie gestanzt, aber dafür umso authentischer rüber. Das bereichert am Ende das Magazin – und dessen Leser. Also: Lasst das Volk sprechen. Damit das „Wir“ gewinnt.
Foto: Unsplash, Håkon Sataøen
Dieser Text ist die überarbeitete Fassung eines im Jahr 2011 bei Zimmermann Editorial erschienenen Gastbeitrags.
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