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Nennt es nicht Journalismus

Unternehmen werden zu publizierenden Organismen. Das ist eine der spannendsten Entwicklungen in der Kommunikation. Problematisch wird es, wenn die Grenzen zwischen PR und Journalismus verschwimmen. Beiden Seiten sollte deshalb an Trennschärfe gelegen sein, wenn sie über ihr Tun reden. Doch es herrscht begrifflicher Wildwuchs.

Geht es um Haltung und Ethik im Content-Marketing, sind sich alle einig: Kommunikation von Unternehmen muss klar als solche erkennbar sein. Insbesondere dürfen derartige Formate dem Verbraucher nicht vorgaukeln, sie seien ein Informationsangebot jener Instanz, die wir landläufig „die Presse“ oder „die Medien“ nennen. Schließlich stammt der Content nicht aus unabhängig arbeitenden Redaktionen. Er entsteht in den Newsrooms von Firmen oder deren Agenturen und dient allein unternehmerischen Interessen. Kurz: Journalismus klassischer Lesart und inhaltegetriebene Firmenkommunikation sind zwei Paar Schuhe. Deutlich wird diese Rollentrennung auch im Deutschen Kommunikationskodex des DRPR (Deutscher Rat für Public Relations). In der Selbstverpflichtung heißt es: „PR- und Kommunikationsfachleute respektieren die von der Verfassung garantierten Grundrechte sowie insbesondere die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien und beeinträchtigen diese nicht durch unlautere Mittel.“

Unschärfe statt Transparenz

Die Frage ist nur: Warum hantieren beide Seiten dann trotzdem so nachlässig mit den Begriffen? „Uns geht es um qualitativen, kreativen und innovativen Journalismus“, lässt sich beispielsweise Neu-Geschäftsmann Kai Diekmann im Interview mit dem aktuellen PR Report zitieren. Journalismus? Eine, wie ich finde, eigenartige Auffassung des hier besprochenen Businessmodells. Immerhin betreiben der frühere BILD-Chef und seine Mitstreiter mit ihrer Berliner Social-Media-Boutique Storymachine ausdrücklich Auftragskommunikation, unter anderem für große Firmen.

Auch andernorts in der Branche ist gerne von Journalismus die Rede, wenn eigentlich Unternehmenskommunikation, PR und Marketing gemeint sind. Besonderes Unbehagen beschleicht mich beim Begriff Markenjournalismus (Brand Journalism). Denn hier wird sprachlich verwoben, was konzeptionell nicht zusammengehört: das Publizieren im Firmeninteresse und das klassische Pressewesen. Dass etliche Kolleginnen und Kollegen der schreibenden Zunft völlig unbefangen von Journalismus sprechen, wenn sie sich als Content-Lieferanten für Unternehmen verdingen, macht die Lage nicht einfacher. Der obigen Logik zufolge müssten sie sich eigentlich als Marken- oder Konzernjournalisten anpreisen.

„Wer Firmenkommunikation und Journalismus in einen Topf wirft, tut keiner Partei einen Gefallen.“

Die Verquickung beider Begriffswelten treibt seltsame Blüten, und zwar auch in den Medien. So verstieg sich kürzlich ausgerechnet das stolze Handelsblatt in einem Beitrag über Corporate Newsrooms und deren wachsenden Bedarf an Redakteuren zu der abenteuerlichen Formulierung „firmeneigene Journalisten“. Eine höchst fragwürdige Wortwahl, werden doch die allermeisten Menschen mit der Vokabel Journalist immer noch das herkömmliche Berufsbild in Zeitungs-, Hörfunk- oder Fernsehredaktionen verbinden. Wer so unbedacht daherschreibt, leistet dem Zerrbild einer gekauften Presse Vorschub. Daran kann aber wirklich niemand Interesse haben – weder die Unternehmen noch die Verlagshäuser.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich halte es für völlig legitim, dass Wirtschaftsunternehmen ihr Zielpublikum über eigene Medienformate und -kanäle ansprechen. Wenn sie zu Content-Produzenten werden, um auf direktem Wege mit Konsumenten und Stakeholdern zu kommunizieren, ist daran nichts verwerflich. Im Gegenteil, diese Strategie kann sinnvoll und wertschöpfend sein. Mir geht es allein um die vielbeschworene Lauterkeit und Transparenz, die – so es den Beteiligten ernst damit ist – ein Mindestmaß an semantischer Trennschärfe verlangt. Wer dagegen Firmenkommunikation und Journalismus munter in einen Topf wirft und in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer Soße verrührt, tut keiner Partei einen Gefallen. Er beschädigt damit Profil und Glaubwürdigkeit sowohl der Wirtschaft als auch der Medien.

Keine Kumpanei

Was spricht denn überhaupt dagegen, das Kind beim Namen zu nennen? Content-Kommunikation mit kommerziellen Absichten ist schließlich nichts Ehrenrühriges und muss nicht zu Journalismus verbrämt werden. Dessen Auftrag wiederum ist es, unabhängig zu informieren, aufzuklären und das Wirken von Politik und Wirtschaft kritisch zu begleiten. Journalismus hat somit auch den Machern von Unternehmens-Content auf die Finger zu schauen. Diesen Gattungsunterschied anzuerkennen und nicht durch begriffliche Kumpanei zu verwässern, sollte meiner Auffassung nach zur Ethik aller PR-Schaffenden gehören. (Und zwar unbenommen davon, ob Journalismus seinen eigenen Idealen immer gerecht wird.)

„Das Privileg des Begriffs Journalismus sollten wir ganz bewusst der anderen Seite überlassen.“

Sollen Kommunikatoren sich auf ihr journalistisches Rüstzeug oder den journalistischen Qualitätsanspruch ihrer Arbeit berufen? Ja, denn das verweist auf das Handwerk und nicht auf die Funktion. Als Disziplin aber hat das Wort Journalismus nach meinem Verständnis in den Sphären von Unternehmenskommunikation und Marketing nichts verloren. Das Privileg dieses Begriffs sollten wir stattdessen ganz bewusst der anderen Seite überlassen. Nennt unsere Domäne wie auch immer, zum Beispiel narrative Kommunikation, Corporate-Storytelling oder Content-PR. Aber bitte nicht Journalismus.


Illustration erstellt mit KI (DALL-E via ChatGPT)

Diesen Text können Sie auch in der Printausgabe 4/2018 des Fachmagazins PR Report nachlesen.

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