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Nahbar in der Tragödie

Der Absturz einer Germanwings Passagiermaschine über den französischen Alpen auf den Tag genau heute vor drei Jahren hat die Welt erschüttert. 18 der insgesamt 150 Todesopfer stammten aus einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen. Deren Bürgermeister wurde zum Gesicht der trauernden Gemeinde ­­– und erfuhr dafür Dankbarkeit und Respekt. Meine damalige Würdigung.

24. März 2015. Das Unheil bricht an einem Frühlingstag über Haltern am See herein. Es macht binnen kürzester Zeit einen Mann bekannt, dessen Name zuvor allenfalls den Bewohnern der Region ein Begriff war. Bodo Klimpel ist Bürgermeister der am nördlichen Rand des Ruhrgebiets gelegenen und knapp 4000 Einwohner zählenden Stadt. Aus deren Mitte werden durch das tragische Geschehen während des Fluges 4U9525 von Barcelona nach Düsseldorf mehr als ein Dutzend Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen des örtlichen Gymnasiums gerissen.

Berührend authentisch

Schon kurz nach Bekanntwerden des Absturzes stellt Klimpel sich bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz der Öffentlichkeit. Nichts ist routiniert, nichts eingeübt, als das Gemeindeoberhaupt sichtlich mitgenommen und immer wieder um Fassung ringend im karierten Freizeithemd vor die Medien tritt. Im Gegenteil, fast unbeholfen wirkt der Bürgermeister, als er nach den passenden Worten sucht, um das Unbegreifliche zu beschreiben, das seine Stadt heimgesucht hat. Ein Auftritt, der nicht nur die unmittelbar Betroffenen in Haltern, sondern Bürger in ganz Deutschland bewegt.

Keine Fassade

Warum sind wir davon berührt? Weil hier ein Bürgermeister seiner Verantwortungsrolle im besten Sinne gerecht wird — indem er einerseits vor laufenden Kameras Rede und Antwort steht und andererseits ganz Mensch und im allergrößten Leid spürbar eins mit seiner entsetzten Gemeinde ist. Wie sehr Klimpel damit einen Nerv trifft, zeigt ein Blick auf seine Facebook-Seite, wo etliche Bürger neben ihrer Bestürzung über das Unglück Respekt, Dankbarkeit, ja Hochachtung für den Bürgermeister und sein authentisches, mitfühlendes Verhalten zum Ausdruck bringen. Zuspruch findet auch die Rede, die Klimpel wenige Tage später anlässlich des Trauergottesdienstes in der Haltener St.-Sixtus-Kirche hält. „Es tut so unsagbar weh.“ Dass ein Politiker so unverhüllt Emotionen zeigt, der Trauer in Haltern ein Gesicht gibt und sich damit in der medialen Ausnahmesituation zugleich schützend vor seine Bürger stellt, empfinden viele Menschen als Trost und Stütze.

Erfahrung von Würde

Inzwischen ist es stiller geworden in Haltern am See. Die Reporter und Kamerateams sind wieder abgerückt. Man wünscht der Gemeinde, dass sie in Ruhe trauern, den Verlust und die tragischen Umstände der Katastrophe verarbeiten kann. Was neben der großen Anteilnahme für die Hinterbliebenen aller Opfer von Flug 4U9525 bleibt, ist die Erfahrung von Würde, die schlichte Menschlichkeit einem politischen Amt verleihen kann.


Foto: Viktor Hanacek, Picjumbo

Dieser Text erschien erstmals im April 2015 im WEKA Themenportal Kommunalverwaltung

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